Vernetzte Kamerasysteme zur Erkennung personeninduzierter Gefahrensituation

Einhergehend mit der sich wandelnden weltpolitischen Sicherheitslage steigt in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, z.B. auf Bahnhöfen, Flughäfen oder in Stadien, das Bedürfnis nach Sicherheit.

Nach konventioneller Vorgehensweise werden diese Bereiche mit Kamerasystemen beobachtet, die aufgenommenen Videodatenströme werden zusammengeführt und in einer Sicherheitszentrale (Leitstand) überwacht. Es ist so nur selten möglich, akute Bedrohungssituationen im Moment ihrer Entstehung, also in situ, zu erfassen.

Gefahrensituationen sind jedoch häufig auf gewolltes oder ungewolltes menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. Hier setzt das Projekt CamInSens an.

Eine Analyse der Aufenthaltsorte der jeweiligen Person über die Zeit kann zur rechtzeitigen Erkennung einer Gefahrensituation beitragen. Durch die unmittelbare rechnergestützte Analyse dieser Bewegungstrajektorien mit Methoden der Visuellen Analytik ist es in vielen Fällen möglich, in Verzug befindliche Gefährdungssituationen automatisch zu erkennen.

 

Ziel

Ziel des Projekts CamInSens ist die Erforschung eines praxistauglichen und rechtskonformen Überwachungssystems basierend auf einem intelligenten Videosystem. Hierdurch soll unter Wahrung datenschutzrechtlicher Anforderungen die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger erhöht werden. Betreibern und Sondereinsatzkräften soll die Möglichkeit gegeben werden, kritische Situationen rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren.

Für die Realisierung dieses Ziels werden Mechanismen entwickelt, die Kameraknoten kooperativ visuelle Daten erheben und verarbeiten lassen, um hieraus in Bildsequenzen des gesamten Kameranetzwerks Personen zu detektieren und zu verfolgen. Zur Verfolgung der Personen sollen automatische Mustererkennungsverfahren erprobt werden, um den Aufwand der manuellen Analyse von Bildmaterial zu minimieren.

Die aktuelle Situation wird sowohl in der Sicherheitszentrale als auch auf mobilen Endgeräten ständig aktualisiert, visualisiert und mit Hilfe von Methoden der visuellen Analytik evaluiert. Diese Information nutzt der Endanwender als Basis für weitere Entscheidungen (z.B. Auslösen von Alarm).

Im Projekt CamInSens wird das gesamte Überwachungssystem realisiert. Seine grundsätzliche Funktionsweise wird an einem Demonstrator erprobt und bewertet, wobei auch Fragen des technisch zuverlässigen Betriebs (Ausfallsicherheit, Ausfalltoleranz) zu beleuchten sind. Daneben erfolgt eine Analyse der Wirtschaftlichkeit und der rechtlichen Rahmenbedingungen.

 

Ansatz

Das Verfolgen von Personen in einem Netz aus einer Vielzahl von Kameras und das Entdecken salienter, visueller Ereignisse sollen mit Hilfe der Erforschung der nachfolgenden Themengebiete erreicht werden:

  • Selbst-organisierende Kameranetze mit ergänzender Spezialsensorik: Selbst-organisierende Vernetzung und Kooperation zwischen Kameraknoten und ergänzender Sensorik durch die Nutzung fehlertoleranter, dezentraler Koordinierungsalgorithmen
  • Personendetektion und -verfolgung in Videosequenzen: Algorithmen, die unter einer Vielzahl von Bedingungen in realen, ggf. hoch dynamischen Szenarien (z.B. unterschiedliche Perspektive, Beleuchtung und Sichtverdeckung) einzelne Personen und Personengruppen robust verfolgen
  • Dynamische Stereoverfahren: Analyse komplexer Szenen mit großer Tiefenausdehnung unter Verwendung stereoskopischer Bildsequenzen und zugehöriger Stereoverfahren
  • Mustererkennung in Personentracks: Analyse von Personentracks, d.h. des Bewegungsmusters einer erfassten Person, mit dem Ziel, untypisches bzw. auffälliges Verhalten zu erkennen
  • Interaktive Visualisierung großer raumbezogener Datensätze: Vergrößerung der kognitiven Argumentation um Wahrnehmungsargumentation durch eine visuelle Darstellung von komplexen Datenmengen in Echtzeit und im dreidimensionalen Raum sowohl in der Sicherheitszentrale als auch auf mobilen Endgeräten
  • Verfassungs- und datenschutzrechtliche Vorgaben: Analyse der rechtlichen Vorgaben für die Personenverfolgung und Mustererkennung sowie Entwicklung konkreter technischer Gestaltungsvorschläge für entsprechende Systeme.

 

Anwendungen

Ein Anwendungs-Szenario kann über die Parameter Änderungsfrequenz von Objekten, räumliche Ausdehnung und Gefährdung, die einen Anwendungsraum bilden, klassifiziert werden.

Bewegt sich ein Objekt schnell und ruckartig, ist seine Änderungsfrequenz hoch; bewegt es sich langsam, ist sie gering. Die räumliche Ausdehnung kann gering sein (z.B. Supermarkt) oder große räumliche Gebiete umfassen. Kritische Infrastrukturen, die von vitaler Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen sind (Bahnhöfe, Flughäfen), sind größeren Gefährdungen ausgesetzt als kleinere Einrichtungen wie Supermärkte.

Ein Stadion-Szenario wird dominiert durch Objekte (z.B. Fans), die geringe bis mittlere Änderungsfrequenzen aufweisen. Zusätzlich verfügt das Stadion-Szenario über eine mittlere räumliche Ausdehnung mit wenig Sichthindernissen. Dies unterstützt eine kameraübergreifende Objektverfolgung. Ziel ist die Erkennung von Gefährdungen, z.B. durch Handgemenge und die Prävention von Gefahrensituation, die durch kritische Bewegungen in der Menschenmasse entstehen können.

Das Bahn-Szenario ist geprägt durch geringe Änderungsfrequenzen, die z.B. durch fließende Menschenmassen oder stehende Menschen mit Gepäck entstehen. Um potentielle Gefährdungen (wie z.B. allein gelassene Koffer) zu erkennen, müssen statische Änderungen in dynamischen Umgebungen wahrgenommen werden können.

Bahnhöfe verfügen über eine große räumliche Ausdehnung und verwinkelte Architekturen. Dies erfordert eine globale Objektverfolgung. Da der Bahnhof als kritische Infrastruktur angesehen werden kann, liegt hier eine mittlere bis hohe Gefährdungssituation vor.

Das Lichthof-Szenario (Lichthof der Universität Hannover) wird im Rahmen des CamInSens-Projekts als Referenzanwendung implementiert. Es wird eine Vielzahl interessanter Konfigurationen des Anwendungsraums abgedeckt. Hierdurch sind die Anforderungen der beiden übrigen Szenarien ebenfalls befriedigt und das CamInSens-System ist später auf eine Vielzahl von Szenarien übertragbar.

 

Partner

  • Landeskriminalamt Baden-Württemberg
  • Ingenieurgesellschaft für Verkehrs- und Eisenbahnwesen mbH (IVE mbH), Hannover
  • Vitracom AG, Karlsruhe
  • Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, Karlsruhe
  • Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, Sankt Augustin
  • Leibniz Universität Hannover: Institut für Photogrammetrie und GeoInformation
  • Leibniz Universität Hannover: Institut für Kartographie und Geoinformatik, Fachgebiet für System- und Rechnerarchitektur, Fachgebiet für Simulation
  • Universität Kassel, Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung