Aktive Wärmefluss-Thermographie zur Qualitätssicherung

Prinzip der aktiven Thermographie mit und ohne internem Defekt.
© Fraunhofer WKI
Bild 1: Prinzip der aktiven Thermographie oben ohne, unten mit internem Defekt.

Die Wärmefluss-Thermographie ist eine Prüfmethode, mit der unsichtbare Fehlstellen sichtbar gemacht werden können. Durch die Analyse des Wärmeflusses beziehungsweise der Wärmeleitfähigkeit können unterhalb der Oberfläche liegende und daher äußerlich nicht sichtbare Fehlstellen in Werkstücken erkannt werden. Hierfür entwickelte das Fraunhofer WKI aus Braunschweig eine Prüfeinrichtung, die eine Vielzahl von Produkten, von Holzwerkstoffen über Fahrzeugteile bis hin zu Weingummis, im Durchlauf auf einem Förderband auf äußerlich nicht sichtbare Qualitätsmängel prüfen kann. Als Prüfverfahren dient die aktive Infrarot-Thermographie. Das Verfahren wird mit Bildverarbeitungsmethoden automatisiert, so dass es ohne Personaleinsatz in den Produktionsprozess integriert werden kann. Das Ergebnis der Prüfung kann direkt in ein Entscheidungskriterium zur Aussonderung der fehlerhaften Produkte umgesetzt werden.

Die Wärmefluss-Thermographie ist eine relative neue Prüfmethode in der Qualitätssicherung. Bekannt geworden sind Thermographie-Systeme bislang vorwiegend im militärischen Bereich zum Auffinden von Personen oder Fahrzeugen, in der Medizin oder in der Baubranche zum Auffinden von Wärmeverlusten an Häusern oder Leitungen. In der Industrie werden Thermographie-Systeme derzeit vor allem zur Temperaturkontrolle von industriellen Anlagen eingesetzt. Durch die Entwicklung leistungsfähiger Sensoren gewinnt die Technik auch in der Qualitätssicherung immer mehr an Bedeutung.

 

Alle Körper emittieren ein von ihrer Temperatur abhängiges Spektrum elektromagnetischer Wellen. Diese bleiben dem menschlichen Auge allerdings bei üblichen Temperaturen verborgen, da es sich um infrarote Strahlung handelt. Daher ist der Einsatz einer Thermographie-Kamera notwendig, mit deren Sensoren Infrarotstrahlung sichtbar gemacht werden kann.

Bei der aktiven Wärmefluss-Thermographie wird die Oberfläche der Messobjekte durch einen kurzen Wärmeimpuls erwärmt. Danach wandert die Wärme von der Oberfläche ins Körperinnere. Befinden sich Fehler mit geringerer Wärmeleitfähigkeit unter der Oberfläche, wird der Wärmetransport behindert. Die Oberfläche bleibt über diesen Bereichen länger warm und durch Thermographie-Kameras können Temperaturunterschiede sichtbar gemacht werden, die Hinweise auf Fehler wie Lunker, Hohlräume und Delaminationen geben können (Bild 1). Für diese Art der Untersuchung reicht in vielen Fällen schon eine Erwärmung von einigen Zehntel Grad Celsius (z. B. durch Infrarotstrahler, UV-Licht oder Ultraschall). Die aktive Wärmefluss-Thermographie lässt sich in den unterschiedlichsten Industriezweigen einsetzen. Einige Schwerpunkte sind die berührungslose und zerstörungsfreie Detektion struktureller Schwächen wie z. B. Haftungsschwächen, Risse, Delaminationen, Blasen, Lufteinschlüsse, Korrosionsbildung unter Lack sowie die Prüfung der Festigkeit von Schweiß-, Klebe- und Lötverbindungen. Ebenso gehören auch die Erkennung feinster Materialunterschiede durch unterschiedliche optische Eigenschaften im Infraroten und die Schichtdickenbestimmung an Lacken, Filmen und Furnieren zu den wesentlichen Aufgabenstellungen bei der Thermographie-Prüfung.

 

Auch zur Prüfung von Nahrungsmitteln kann Thermographie genutzt werden. Bild 2 zeigt den Einsatz der aktiven Wärmefluss-Thermographie bei der Fremdkörpererkennung in Weingummi. Hier unterscheiden sich das Produkt und die Fremdkörper (Holzsplitter) in ihrer Wärmekapazität voneinander, so dass sie nach dem Wärmeimpuls unterschiedliche Temperaturen aufweisen und so im Thermographiebild unterschieden werden können.

Fremdkörpererkennung in Weingummis - Thermographie
© Fraunhofer WKI
Bild 2: Fremdkörpererkennung in Weingummis. Im Thermographiebild (rechts) lassen sich die Fremdkörper (Holzsplitter) aufgrund der abweichenden Wärmekapazität wesentlich leichter detektieren.
Fremdkörpererkennung in Weingummis - Thermographie
© Fraunhofer WKI
Fremdkörpererkennung in Weingummis - Thermographie

Ein anderes Anwendungsbeispiel ergibt sich im Automotive-Bereich. Hier können im Rahmen der Wareneingangskontrolle Reparaturstellen in wertvollen Lederbezügen von Autositzen leicht sichtbar gemacht werden. (Bild 3)

Fehlererkennung an Lederbezügen - Thermographie
© Fraunhofer WKI
Bild 3: Fehlererkennung an Lederbezügen. Das linke Bild zeigt die Originalaufnahme eines Lederausschnitts von Autositzen mit Reparaturstellen auf der Rückseite, die äußerlich nicht sichtbar sind.
Thermographie Aufnahme Leder mit Reparaturstellen
© Fraunhofer WKI
Rechts ist die Thermographieaufnahme des Leders zu sehen. Die vereinzelten grünen Punkte sind Reparaturstellen.

Die Wärmefluss-Thermographie erweitert das Anwendungsspektrum für die Materialprüfung erheblich. Die praktische Bedeutung dieser Technik steigt mit der Verfügbarkeit von genauen, schnellen und robusten Sensoren. Allerdings ist die Vorhersage, ob ein bestimmtes Produkt für die Prüfung geeignet ist, außerordentlich schwer, da sie von einer Vielzahl oft schwer bestimmbarer Parametern abhängt. Deshalb müssen in jedem Einzelfall detaillierte Voruntersuchungen stattfinden. Danach allerdings können Fehler unterhalb der Oberflächen meist zuverlässig, schnell und automatisch gefunden werden. Mittels Thermographie können auch sehr große und schnell bewegte Objekte untersucht werden. Hierdurch ist das Verfahren oft auch für eine 100-Prozent-Online-Kontrolle im industriellen Einsatz geeignet. Die bisherigen Erfahrungen im Umgang mit der Thermographie lassen vermuten, dass bisher nur ein Bruchteil der sinnvollen Anwendungsmöglichkeiten bekannt ist.

Da die Wärmefluss-Thermographie als industrielles zerstörungsfreies Prüfverfahren noch relativ jung ist, veranstaltet der Fraunhofer-Geschäftsbereich Vision Seminare zu diesem Thema, die die Verbreitung der Kenntnis über das neue Messverfahren zum Ziel haben.